Stellungnahme der Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e. V. zur Aussetzung der humanitären Aufnahmeprogramme durch das BundesinnenministeriumNürnberg, 30.07.2025

Mit großer Sorge nimmt die Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e. V. zur Kenntnis, dass das Bundesinnenministerium alle freiwilligen humanitären Aufnahmeprogramme, einschließlich der Einzelfallaufnahme aus humanitären und politischen Gründen, ausgesetzt hat. Diese Entscheidung wurde ohne öffentliche Debatte getroffen und bislang weder politisch noch parlamentarisch transparent aufgearbeitet.
Von dieser Maßnahme sind insbesondere schutzbedürftige Menschen betroffen, die aus totalitären Regimen fliehen müssen. Darunter russische Oppositionelle, antikriegsorientierte Politikerinnen und Politiker, Aktivistinnen und Aktivisten, Journalistinnen und Journalisten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Gerade diese Gruppen sind aktuell massivem politischen Druck, Repression und sogar Freiheits- und Lebensbedrohung ausgesetzt.
Im Jahr 2022 bewies Deutschland mit der Aufnahme hunderter gefährdeter Personen aus Russland und Belarus klare Solidarität mit der Zivilgesellschaft, die sich trotz wachsender Repressionen für Demokratie und Menschenrechte einsetzt. Umso bedauerlicher ist es, dass mit der aktuellen Aussetzung der humanitären Visa Programme ein bislang bewährter legaler und sicherer Fluchtweg vorerst blockiert wird. Und das in einer Zeit, in der
// Menschen für öffentliche Antikriegsäußerungen strafrechtlich verfolgt werden,
// unabhängige Medien und NGOs massenhaft als „ausländische Agenten“ oder„unerwünschte Organisationen“ eingestuft und aufgelöst werden,
// Mitarbeitende solcher Strukturen, Teilnehmende friedlicher Proteste und engagierteBürgerinnen und Bürger systematisch kriminalisiert, bedroht, inhaftiert oder mitGewalt unterdrückt werden.
Im Fokus steht derzeit die russisch-belarussische Komponente. Sie richtet sich gezielt an politisch verfolgte Menschen, die sich gegen das totalitäre Regime in Russland und Belarus stellen und für demokratische Werte einstehen. Gerade in Zeiten eines anhaltenden Angriffskriegs gegen die Ukraine steht dieses Programm im Einklang mit den deutschen und europäischen außenpolitischen Interessen.
In der vergangenen Woche fand ein Gespräch zwischen Vertreterinnen und Vertretern des Auswärtigen Amts und der Organisation Horizonte statt. Vorgestellt wurde dort ein gemeinsames Forschungsprojekt mit der Initiative Akademische Brücken, das die Integration von Personen dokumentiert, die in den letzten drei Jahren mit humanitären Visa nach Deutschland gekommen sind.
Tatiana Kasimova, Mitglied der Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e. V., hat an dieser Forschung maßgeblich mitgewirkt. Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll: Viele dieser Menschen engagieren sich bereits aktiv im politischen Leben, leisten Unterstützung für andere oder führen ihre oppositionelle Arbeit im Exil fort.
Diese Entwicklungen stehen im direkten Einklang mit dem Auftrag des § 22 Absatz 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), der die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Personen aus dem Ausland ermöglicht, wenn dies im politischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt.
Gerade der Schutz von Menschen, die sich gegen autoritäre Regime stellen und für freiheitlich-demokratische Werte eintreten, ist nicht nur ein humanitärer Akt, sondern auch ein außenpolitisches Bekenntnis zu Demokratie, Frieden und Rechtsstaatlichkeit.
Angesichts des andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der zunehmenden hybriden Einflussnahme auf europäische Demokratien ist sich Deutschland der sicherheitspolitischen Gefahr bewusst, die vom Kreml ausgeht. Die Aufnahme und Unterstützung von Regimekritikerinnen und Regimekritiker aus Russland und Belarus steht daher in direktem Zusammenhang mit dem strategischen Interesse Deutschlands und Europas, autoritären Bedrohungen entschlossen entgegenzutreten.
Auch innerhalb der Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e. V. engagieren sich zahlreiche Menschen, die selbst aufgrund politischer Verfolgung aus Russland fliehen mussten und durch das humanitäre Aufnahmeprogramm gemäß § 22 Absatz 2 AufenthG Schutz in Deutschland gefunden haben – jenes Programm, das nun eingestellt wurde.
Ein Beispiel dafür ist Nadezhda Kolobaeva: Sie engagiert sich seit ihrem ersten Tag in Deutschland, spricht bei öffentlichen Veranstaltungen und an Schulen. Sie berichtet aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt werden und warum es so wichtig ist, sich für diese Werte einzusetzen. Ihre authentischen Schilderungen ermöglichen einen persönlichen Zugang zu den Themen Redefreiheit, politische Repression und Demokratie. Das fördert nicht nur politische Bildung, sondern stärkt auch das Bewusstsein für den Wert demokratischer Prinzipien in Deutschland.
Auch viele andere Mitglieder unserer Organisation gestalten das Leben in Deutschland aktiv mit. Sei es durch ihre berufliche Tätigkeit, durch Ausbildung oder durch zivilgesellschaftliches Engagement.
Politisch Verfolgte aus Russland und Belarus suchen nicht nur Sicherheit, sondern übernehmen Verantwortung, bringen sich ein und leisten einen aktiven Beitrag zum gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben in Deutschland. Sie sind ein Gewinn für dieses Land. Und ohne dieses Programm wären alle von ihnen heute im Gefängnis. Wegen ihrer Haltung, ihrer Meinung, ihres friedlichen Einsatzes für eine freiheitlich-demokratische Ordnung.
Seit Mai 2022 wurden rund 2.600 russische Staatsangehörige mit humanitären Visa in Deutschland aufgenommen. Diese Zahl steht exemplarisch für das Vertrauen, das viele Verfolgte in die deutsche Schutzbereitschaft gesetzt haben. Sie belegt auch die aktive Rolle, die Deutschland bislang im Schutz demokratischer Kräfte gespielt hat.
Die vollständige Aussetzung humanitärer Programme würde den letzten Schutzmechanismus für gefährdete Demokratinnen und Demokraten aus Russland und Belarus beseitigen. Damit würde nicht nur das Leben dieser Menschen gefährdet, sondern auch die Arbeit der demokratischen Zivilgesellschaft im Exil nachhaltig geschwächt.
Zudem bereitet uns die steigende Zahl von Asylablehnungen gegenüber russischen Staatsangehörigen Sorge – auch bei dokumentierter politischer Verfolgung. Einige dieser betroffenen Personen engagieren sich aktiv in unserer Organisation.
Die Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e. V. fordert daher:
1.
Die sofortige Wiederaufnahme der russisch-belarussischen Komponente des § 22Abs. 2-Aufnahmeverfahrens.
2.
Die rechtliche und politische Absicherung individueller Schutzverfahren für politischVerfolgte aus Russland und Belarus.
3.
Eine klare Differenzierung zwischen einzelnen Komponenten humanitärer Programme,um verbliebene Spielräume effektiv zu nutzen.
Deutschland hat in der Vergangenheit Verantwortung übernommen. Es kann es wieder tun. Wer für Freiheit und Demokratie einsteht, braucht Schutz – und eine Perspektive.
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Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e.V.
30.07.2025
Alle Inhalte wurden nach bestem Wissen und Gewissen vom Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e.V. für Sie aufbereitet und falls nötig übersetzt.