
Appell russischer politischer Gefangener an die Weltgemeinschaft
„Wir haben unsere Stimme nicht verloren. Wir sind nicht verschwunden.“
Elf russische politische Gefangene haben aus ihren Zellen einen offenen Brief an die führenden Politiker der Welt geschrieben. Veröffentlicht wurde er von der Nachrichtenagentur Reuters.
Unterzeichner sind: Alexei Gorinow, Anna Archipowa, Wladimir Domnin, Boris Kagarlizki, Darja Kosyrewa, Dmitri Ptschelintsew, Ilja Schakurski, Andrei Trofimow, Alexander Schestun, Artjom Kamardin und Asat Miftachow.
Wir, russische politische Gefangene, wenden uns an alle führenden Politikerinnen und Politiker der Welt, denen das Leid von Menschen wegen ihrer Überzeugungen nicht gleichgültig ist.
In Russland und in den besetzten Gebieten befinden sich über 10.000 Menschen in Haft – politische Gefangene und ukrainische Zivilist:innen.
Unsere einzige „Schuld“: Wir haben unsere Stimme erhoben. Wir haben kritisch gedacht. Wir haben widersprochen.
In der heutigen Russischen Föderation gibt es keine Gerechtigkeit mehr – und keine Unabhängigkeit der Gerichte. Jeder, der sich offen äußert oder protestiert, läuft Gefahr, für Jahre hinter Gitter zu kommen.
Seit 2012 wird die Gesetzgebung systematisch verschärft, um jegliches abweichendes Denken zu unterdrücken. Allein zwischen 2018 und 2022 wurden über 50 repressive Gesetze erlassen, seit dem 24. Februar 2022 über 60 weitere.
Freisprüche gibt es in politisch motivierten Verfahren nicht mehr.
Haftstrafen von 10, 15 oder 20 Jahren sind zur Norm geworden. Die Staatsduma fordert immer häufiger die Rückkehr der Todesstrafe.
Spätestens seit Russland 2022 beschlossen hat, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr umzusetzen, ist der Rechtsweg für politisch Verfolgte faktisch abgeschafft.
Statt echter Menschenrechtsinstitutionen existieren nur noch Behörden, die eine solche Rolle imitieren. Folter, gesundheitliche Gefährdung, psychischer Druck – all das geschieht weitgehend ohne Konsequenzen.
Politische Gefangene werden besonders hart behandelt, von Hafterleichterungen ausgeschlossen, und immer häufiger zum Ziel neuer Verfahren – auf Grundlage von Denunziationen.
Trotz allem sagen wir: Wir haben unsere Stimme nicht verloren. Wir sind nicht verschwunden.
Wir bestehen auf unserer Haltung. Und wir bringen sie weiterhin zum Ausdruck.
Unser Appell:
🔺 Wir rufen beide Seiten der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine dazu auf, sofort einen umfassenden Gefangenenaustausch umzusetzen – nach dem Prinzip „alle gegen alle“, auch unter Einbeziehung ukrainischer Zivilist:innen.
🔺 Wir fordern die umgehende und bedingungslose Freilassung schwerkranker politischer Gefangener, die in russischen Gefängnissen dem Tod entgegensehen.
🔺 Wir appellieren an internationale Politiker:innen, konkrete Schritte zur Freilassung aller politisch verfolgten Menschen in Russland zu unternehmen.
🔺 Wir bitten Medien weltweit, nicht zu schweigen – sondern über jene zu berichten, die in Russland weiter für Freiheit und Demokratie kämpfen – trotz Gefängnis, Repression und Gefahr für Leib und Leben.
🔺 Wir fordern von den Parlamenten und politischen Organisationen demokratischer Länder: Ergreift Partei. Verabschiedet Resolutionen. Erhebt eure Stimme – auch in unserem Namen.
Nur gemeinsam können wir Freiheit und Frieden näherbringen.
Alle Inhalte wurden nach bestem Wissen und Gewissen vom Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland e.V. für Sie aufbereitet und falls nötig übersetzt.